Deutsche Industrie gerät ins Hintertreffen – wackelt das Fundament der deutschen Wirtschaft? (Quelle: Financial Times) |
Eine Reihe deutscher Branchen haben Mühe, sich von der durch Covid-19 verursachten Rezession zu erholen, was auf düstere Wirtschaftsaussichten hindeutet, heißt es in einem aktuellen Bericht des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens PwC.
Der Bericht stellt fest, dass sich die deutsche Industrie langsamer erholt hat als der Durchschnitt anderer Branchen und dass sich die Lage in den letzten Jahren verschlechtert hat.
Nach der Untersuchung des Umsatzwachstums von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro (556 Millionen US-Dollar) zwischen 2000 und 2022 stellten die Forscher fest, dass sich die Gewinnmargen deutscher Unternehmen in den letzten 22 Jahren fast halbiert haben.
Von allen Sektoren war der Industriesektor am stärksten betroffen und erholte sich nach Ausbruch der Krise weniger stark als erwartet.
Der Bericht besagt auch, dass die deutsche Industrie einen Plan zur Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit entwickeln muss. Dies sei eine schwierige Aufgabe, da immer mehr deutsche Unternehmen schwierige Zeiten durchmachen.
Ein ähnliches Bild zeigt eine Umfrage des Zentralverbands Mittelständischer Unternehmen (ZGV) in Deutschland bei den mittelständischen Unternehmen. So meldeten 49 Prozent der befragten 42.000 Unternehmen einen Umsatzrückgang im zweiten Quartal.
Die Ergebnisse stehen im Einklang mit einem Bericht des Wirtschaftsinstituts Ifo, der eine Verschlechterung des Geschäftsklimas zeigt. Der Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Juni 2023 weiter gesunken und fiel von 91,5 Punkten im Mai 2023 auf 88,5 Punkte. Das nachlassende Geschäftsvertrauen ist ein Zeichen dafür, dass die Konjunkturaussichten weiterhin düster sind.
Eine am 17. Juli vom Internationalen Währungsfonds (IWF) veröffentlichte Analyse prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaft im Jahr 2023 aufgrund der negativen Auswirkungen des Energiepreisschocks und der verschärften Finanzierungsbedingungen um 0,3 Prozent schrumpfen wird.
Mittlerweile hat die Inflation in Deutschland nach Monaten der Verlangsamung wieder angezogen, insbesondere in fünf wichtigen Wirtschaftsländern Deutschlands: Nordrhein-Westfalen, Bayern, Brandenburg, Hessen und Baden-Württemberg. Vorläufige Daten des Statistischen Bundesamtes (Destatis) zeigten, dass die Inflationsrate in Europas größter Volkswirtschaft von 6,1 % im Mai auf 6,4 % im Juni 2023 gestiegen ist und damit höher war als die Prognose der Analysten von 6,3 %.
In den fünf wichtigsten Bundesländern stieg die Inflationsrate auf 6,2 Prozent in Nordrhein-Westfalen und Bayern, 6,7 Prozent in Brandenburg, 6,1 Prozent in Hessen und 6,9 Prozent in Baden-Württemberg. Angesichts der oben genannten Zahlen wird die Inflationssituation in Deutschland holprig bleiben.
Anfang Juli 2023 verabschiedete die deutsche Regierung den Entwurf des Bundeshaushalts für 2024. Dieser sieht drastische Ausgabenkürzungen vor, nachdem die Bundesregierung jahrelang hohe Ausgaben zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie und hoher Energiepreise aufgrund des Ukraine-Konflikts getätigt hatte. Der Haushaltsentwurf sieht für das kommende Jahr Ausgaben von bis zu 445,7 Milliarden Euro (485,2 Milliarden Dollar) vor, 30 Milliarden Euro weniger als für 2023 geplant. Trotz des Rückgangs werden die Ausgaben immer noch 25 % höher sein als 2019.
Noch drastischer sind die Kürzungen bei der Neuverschuldung: Für 2024 ist eine Neuverschuldung von 16,6 Milliarden Euro geplant, gegenüber 45,6 Milliarden Euro im Jahr 2023. Diese Neuverschuldung liegt innerhalb der von der Verfassung zugelassenen Grenzen. Zudem gilt das zweite Jahr in Folge die „Schuldenbremse“, die die jährliche Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt.
Finanzminister Christian Lindner sagte, der Entwurf sei ein wichtiger Schritt zur Normalisierung der öffentlichen Finanzen, nachdem die Haushalte jahrelang aufgrund von Hunderten Milliarden Euro an Neuschulden zur Bewältigung der Covid-19-Pandemie und der Folgen des Ukraine-Konflikts aufgebläht gewesen seien und sich alle Ministerien außer dem Verteidigungsministerium an diesen Sparmaßnahmen hätten beteiligen müssen.
Derzeit tut die Europäische Zentralbank (EZB) ihr Bestes, um die anhaltende Inflation in der Eurozone durch aggressive Zinserhöhungen zu senken. Die EZB hat die Zinsen seit Juli 2022 um 400 Basispunkte angehoben, was bedeutet, dass sich die Kreditkosten in der Eurozone mehr als verdoppelt haben.
Im Bemühen, die Nachfrage zu drosseln und so die Inflation zu senken, hat die EZB zudem die Höhe ihrer Reinvestitionen fälliger Anleihen reduziert, wodurch die Finanzierungsbedingungen noch strenger geworden sind. Die verschärften finanziellen Bedingungen halten die Unternehmen davon ab, ihre Investitionen auszuweiten.
Einer ZGV-Umfrage zufolge beabsichtigen 27 Prozent der befragten Unternehmen, ihre Investitionen im zweiten Quartal zu reduzieren. Im ersten Quartal 2023 waren es weniger als 9 Prozent.
Es gibt keine Anzeichen dafür, dass der geldpolitische Straffungszyklus der EZB bald enden wird. Im Gegensatz dazu hat die EZB wiederholt erklärt, dass sie ihre Geldpolitik straff halten werde, um sicherzustellen, dass die Inflation wieder auf ihr Ziel von 2 % zurückgeht.
Der jüngsten Prognose der EZB zufolge wird die Inflation in der Eurozone im Jahr 2025 immer noch über 2 % liegen.
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