Russland-EU: Wie steht es um die Gesundheit des Atomgiganten Rosatom, der sich in einer „No-Go-Zone“ befindet, die nicht sanktioniert werden kann? (Quelle: fdd.org) |
Die Russland-Hardliner wollen schon lange Druck ausüben, der sich direkt gegen die russische Atomindustrie richtet. Doch auch im elften Sanktionspaket seit der besonderen Militärkampagne in der Ukraine ist es der Europäischen Union (EU) noch immer nicht gestattet, den russischen staatlichen Atomenergiekonzern Rosatom „anzutasten“.
Rosatom "lebt gut"
Laut Energieexperten ist die Antwort auf die Frage, warum Rosatom nicht auf der westlichen Sanktionsliste steht, einfach.
Tatsächlich zieht Russland aus dem Export von Kernbrennstoffen nur einen geringen finanziellen Nutzen, doch die Konzentration auf wichtigere Infrastrukturgeschäfte, darunter den Bau von Reaktoren in der EU, hat dem Kreml beträchtliche finanzielle Mittel eingebracht.
Öffentlichen Angaben zufolge liefert Russland derzeit außerdem etwa 20 Prozent der Materialien, die für den Betrieb der EU-Atomreaktoren benötigt werden. Daher ist es keine einfache Aufgabe, Rosatom als Kernbrennstofflieferanten zu ersetzen und wird viel Zeit in Anspruch nehmen.
Auch deshalb kann der Westen Rosatom nicht sofort mit Wirtschaftssanktionen belegen, obwohl das Unternehmen vermutlich einer der wichtigsten Geldgeber für Moskau ist.
Der Umsatz von Rosatom stieg im letzten Jahr um 17 %. Rosatom-CEO Alexei Likhachev sagte, dass der Konzern im Jahr 2022 einen Umsatz von mehr als 1,7 Billionen Rubel erwirtschaftet habe. Auch in diesem Jahr beliefen sich Rosatoms eigene Investitionen auf mehr als eine Billion Rubel.
Rosatom gab in seinem Jahresbericht die Höhe der Ausgaben für das Investitionsprogramm 2021 nicht bekannt und stellte lediglich fest, dass Rosenergoatom, ein Unternehmen, das Rosatoms Kernkraftwerke in Russland verwaltet, sein Investitionsprogramm im Jahr 2021 zu 105,5 % abgeschlossen habe.
Unterdessen stiegen laut technology.org in einer unabhängigen Untersuchung von Bloomberg und dem britischen Defence and Security Research Institute (RUSI) die Verkäufe und Exporte von Kernbrennstoffen von Rosatom im Jahr 2022 um 20 % und erreichten damit ein Dreijahreshoch für den EU-Markt.
Tatsächlich macht der nach Osteuropa verkaufte Kernbrennstoff nur 40 Prozent der Gesamtexporte von Rosatom aus. Nicht nur die EU-Länder kaufen Kernbrennstoff aus Russland, auch in den USA verwenden etwa 20 Prozent der Kernreaktoren Brennstoff, der aus derselben russischen Quelle gekauft wird.
Keine Konfrontation, sondern Spaltung
Inzwischen hat die EU seit dem Beginn einer speziellen Militäroperation Moskaus in der Ukraine (Februar 2022) zehn Sanktionspakete gegen russische Einzelpersonen und Unternehmen eingeführt. Immer mehr EU-Vertreter und Diplomaten geben zu, dass der Union die Sanktionen gegen Russland ausgehen, die in Zukunft auf den Verhandlungstisch gebracht werden könnten, in der Hoffnung, einen Konsens unter allen Mitgliedsstaaten zu erzielen.
Viel Spielraum bleibt in den umfangreichen Sanktionen nicht mehr, doch die nächste Runde der EU-Sanktionen wird sich nach Aussage der Präsidentin der Europäischen Kommission (EK), Ursula von der Leyen, auf die Bekämpfung der Umgehung bestehender Beschränkungen konzentrieren, insbesondere auf den Verkauf von Ersatzteilen und Ausrüstung, die Moskau im militärischen Konflikt mit der Ukraine einsetzen könnte.
Osteuropäische Diplomaten sagten jedoch, dies gehe „immer noch nicht weit genug“ und das 11. Sanktionspaket müsse radikaler sein.
Polen hat der EU-Kommission gemeinsam mit gleichgesinnten baltischen Staaten einen aktualisierten Vorschlag für ein neues Sanktionspaket gegen Russland vorgelegt. Seit dem vergangenen Frühjahr hat die Gruppe auch Maßnahmen gegen die zivilen Nuklearkapazitäten Russlands vorgeschlagen, die bislang jedoch wirkungslos blieben. Der aktualisierte Vorschlag zielt darauf ab, den russischen staatlichen Atomenergiegiganten Rosatom erneut ins Rampenlicht der Sanktionen zu rücken.
Die vier Mitgliedstaaten erklärten, die EU könne Rosatom ins Visier nehmen, indem sie die Einfuhr von Kernbrennstoffen beschränke, neue Investitionen in Kraftwerke stoppe und den Export von Gütern und Ausrüstung für die Industrie nach Russland beschränke. Der erste Schritt, so sagen sie, könnte darin bestehen, die Topmanager des Unternehmens ins Visier zu nehmen.
Darüber hinaus schlugen die Länder, die die Sanktionen unterstützen, diesmal statt eines vollständigen Verbots von Produkten und Dienstleistungen von Rosatom differenziertere restriktive Maßnahmen vor, darunter Ausnahmen für EU-Atomunternehmen mit bestehenden Verträgen mit Rosatom oder die Anwendung von Sicherheitsvorkehrungen, um eine Abhängigkeit von russischen Atomprodukten zu verhindern.
Zusätzlicher Druck auf Rosatom könnte auch von westlichen Partnern wie den USA und Großbritannien ausgehen, die bereits in diese Richtung gegangen sind und noch schärfere Beschränkungen anstreben, die den russischen Atomsektor direkt treffen würden. Seit Rosatom die Kontrolle über das Kernkraftwerk Saporischschja im Südosten der Ukraine übernommen hat, sind Europa und der Westen zunehmend „ungeduldig“ geworden.
Washington hat zudem kürzlich zusätzliche Sanktionen gegen mehr als 120 Ziele verhängt und damit die Aktivitäten russischer Einzelpersonen und Unternehmen aufgrund des Konflikts in der Ukraine weiter verschärft, darunter auch Unternehmen, die mit Rosatom in Verbindung stehen. Allerdings hat Washington bislang noch keine Sanktionen gegen Rosatom selbst verhängt.
Der stärkste Widerstand gegen Sanktionen gegen das russische Atomprogramm kommt hingegen aus Osteuropa. Von 5 Mitgliedsstaaten, darunter die Republik Korea. Die Tschechische Republik (6), die Slowakei (5), Finnland (2) und Bulgarien (2) betreiben 15 Atomreaktoren russischer Bauart und verfügen derzeit über keinen alternativen Brennstoff aus russischen Lieferungen.
Während die Slowakei nach eigenen Angaben nur noch über genügend Kernbrennstoff verfügt, um bis Ende 2023 auszukommen, könnte das russische Importverbot ein langfristiges Problem darstellen.
Ungarn ist ein Sonderfall, denn das Land ist nicht nur eng mit der russischen Energieversorgung verbunden, sondern hat auch enge Verbindungen zu Rosatom. Budapest hat sich daher wiederholt gegen den Ausstieg aus der russischen Atomenergie ausgesprochen und Rosatom-Funktionäre auf die Sanktionsliste gesetzt. Zuvor hatte Ungarn zudem bekräftigt, dass es sich im Jahr 2022 nicht an den EU-Sanktionen gegen russische Öl- und Gasimporte beteiligen werde.
Im Februar 2023, als in Europa über das zehnte Sanktionspaket diskutiert wurde und die Idee aufkam, Rosatom und seine Führung ins Visier zu nehmen, protestierte Budapest sofort heftig und erklärte, es müsse entschieden gegen die EU-Sanktionen vorgehen.
Der ungarische Außenminister Peter Szijjártó machte deutlich, dass Sanktionen gegen Rosatom nicht nur Ungarns grundlegende nationale Interessen schädigen würden, sondern auch eine Bedrohung für die globale nukleare Sicherheit darstellten. Denn Rosatom ist einer der wichtigsten Akteure im weltweiten Kernenergiesektor und beliefert Kernkraftwerke in vielen Ländern mit Brennstoff.
Anfang April besuchte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto Moskau, um neue Energieabkommen mit Russland abzuschließen, und stimmte einer Änderung des Vertrags mit Rosatom zur Erweiterung des Kernkraftwerks Paks zu.
Neben den osteuropäischen Ländern, die zögern, den russischen Atomenergiesektor in das neue Sanktionspaket einzubeziehen, haben auch Deutschland und Frankreich im Jahr 2022 angereichertes Uran im Wert von 452 Millionen Euro von Russland gekauft.
Deutschland hat jedoch inzwischen signalisiert, dass es den EU-Sanktionen gegen russischen Atombrennstoff zustimmen wird. Da die aktuellen Verträge für Frankreich und Deutschland noch immer bindend sind, haben Polen und einige baltische Mitglieder eine Frist von zwei Jahren für Berlin und Paris vorgeschlagen.
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